Ilshofener Erklärung

(Beschluss des Landeshauptausschuss am 14. Oktober 1995 in Ilshofen)

Liberale Politik für die Zukunftschancen der jüngeren Generation

Die Zukunftschancen der jüngeren Generation sind ein entscheidendes Schwerpunktthema der F.D.P., denn es gibt nichts Wichtigeres, als sich exakt darum zu kümmern, dass diese Jugend und damit unser Land eine Zukunft hat.

Es wird seitens der Politik, aber auch in der Wirtschaft und in anderen Bereichen oft von der Verantwortung gegenüber den nachkommenden Generationen gesprochen.

Diese Verantwortung wird vor allen Dingen immer dann beschworen, wenn es um die Bewahrung der Schöpfung und um die ökologische Frage geht.

Die F.D.P. wird sich massiv dafür einsetzen, dass zukunftsorientierte liberale Politik sich im Zusammenhang mit Zukunftschancen nicht alleine auf die traditionellen Umwelt- und Bildungsthemen beschränkt, sondern sich auch auf Haushaltspolitik, Fragen der sozialen Sicherung, Europapolitik und auf Mitbestimmungsfragen erstreckt.

Wir brauchen eine breite öffentliche Diskussion zum Thema "Strukturwandel in Wirtschaft und Gesellschaft". Stichworte: Gentechnologie, Technikfolgenabschätzung, Stellenwert der Arbeit in der Lebensplanung, Reform der sozialen Sicherungssysteme, lebenslanges Lernen.

Wir wollen deutlich machen, dass wir es ernst meinen, wenn wir sagen, dass unser Land nur mit unserer Jugend eine Zukunft haben wird.

Haushalt und Finanzen

Die Haushaltspolitik des Landes und des Bundes muss geändert werden!

Die Höhe der Verschuldung im Land und vor allen Dingen im Bund hat Ausmaße

angenommen, die den Tatbestand des Raubzugs gegen die jüngere Generation

erfüllen.

Eine Schuldenhöhe, von der niemand weiß, wie sie jemals zurückgezahlt werden soll, kommt der Enteignung der Jugend gleich.

Daher fordern wir:

Bildung

Bildungspolitik muss Schwerpunktthema der Politik in unserem Lande werden, denn ohne gut ausgebildete Menschen, ohne Qualifikation in Lehre, Schule oder Hochschule hat der Wirtschaftsstandort keine Chance, ist jedes Gerede von den Bemühungen um die Sicherheit des Wirtschaftsstandortes Baden-Württemberg eine hohle Phrase!

Ebbe in der Landeskasse darf nicht Stillstand in der Bildungspolitik bedeuten!

Die Zukunftsanforderungen an die Bildungspolitik müssen offensiv formuliert und

mutig angegangen werden.

Stichworte hierzu sind:

Der F.D.P. geht es darum, den Jugendlichen früh und umfassend alle denkbaren Chancen und Wege zu Bildung und Ausbildung zu öffnen.

Die Schule braucht mehr Offenheit zur Arbeits- und Kulturwelt: Einbeziehung von Experten aus Wirtschaft und Verwaltung, Zusammenarbeit mit Künstlern. Ebenso wichtig ist eine intensive Wechselwirkung zwischen Schule und gesellschaftlichem Umfeld (Wohnquartier, Gemeinde und Stadt).

Europa

Zu den Zukunftschancen der jüngeren Generationen und zu den Zukunftschancen des Landes Baden-Württemberg gehört auch die "Chance Europa".

Dazu müssen die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes frühzeitig und umfassend über die Reformvorschläge der politischen Parteien und der Bundesregierung, insbesondere über die Vorteile und Chancen der Einführung einer europäischen Währung, informiert und in die Diskussionen eingebunden werden.

Die F.D.P. will auch in Europa mehr Bürgernähe und mehr Transparenz verwirklicht sehen.

Darunter verstehen wir:

Die Zukunft unseres Landes, die Zukunft unserer Jugend liegt in Europa ! Unser Ziel bleibt ein nach den Grundsätzen der Subsidiarität aufgebauter europäischer Bundesstaat.

Umwelt

Zukunftschancen hängen auch eng damit zusammen, wie wir mit unserer Umwelt heute umgehen und wie wir diese an die nachfolgenden Generationen weitergeben.

Bisher war ein Bekenntnis zur Marktwirtschaft das Markenzeichen der F.D.P. Um auch künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen zu erhalten, muss heute die ökologische Marktwirtschaft zum unverwechselbaren Markenzeichen der Liberalen werden. Das heißt: mit Hilfe marktwirtschaftlicher Instrumente sollen Umweltprobleme gelöst werden.

Wir wollen die folgenden Punkte umgehend anpacken:

Anders ausgedrückt: Wir wollen den Übergang zur nachhaltigen, dauerhaft umweltverantwortbaren Entwicklung der Menschheit, die die Erde in dem Zustand an nachfolgende Generationen weitergibt, in dem sie diese von ihrer Vorgängergeneration übernommen hat.

Forschung und Entwicklung

Das Ziel liberaler Landespolitik muss unter anderem auch das der nachhaltigen Entwicklung unseres Landes sein.

Wenn wir dies erreichen wollen, dann müssen wir Forschungs- und Entwicklungsschwerpunkte auf langlebige Produkte legen, dann müssen wir über die Vermeidung von Ressourcenverbrauch zu einer wettbewerbsfähigen und arbeitsplätzeschaffenden Innovationsoffensive unserer Technologie kommen.

So wie wir Zukunftskommissionen ins Leben gerufen haben, so müssen wir Kommissionen - oder wenigstens eine - einberufen zur Zukunftsfähigkeit des Landes unter den Aspekten des nachhaltigen Wirtschaftens und der nachhaltigen Entwicklung.

Mitwirkungsrechte

"Mit unserer Jugend" - das heißt dann auch, dass diese Jugend konkrete Mitwirkungsrechte haben muss.

Wir wollen Bürgerinnen und Bürger haben, die sich einmischen, die mitdiskutieren und dort mitmachen, wo Eigeninitiative gefragt ist.

Dieses Mitmachen ist nicht in erster Linie eine Frage des Alters, sondern zunächst eine Frage der konkreten Möglichkeiten, der rechtlichen Bestimmungen dieser

'Mitmach-Demokratie', die wir haben wollen.

'Mitmach-Demokratie' heißt: sich in seine eigenen Angelegenheit einmischen!

Aber das muss man dann auch können und dürfen:

Nur wer jungen Menschen heute schon die Möglichkeit dazu gibt, ihr Lebensumfeld mitzugestalten und mitzubestimmen, nur der wird sich morgen auch auf ihr Verantwortungsbewusstsein verlassen können.

Politik muss wieder Sache der Jugendlichen werden!

Die Mitwirkungsmöglichkeiten der Jugendlichen sind heute noch zu sehr begrenzt.

Wir Liberalen aber wollen, dass die Jugendlichen mehr zu Wort kommen.

Deshalb wollen wir ihnen durch die Schaffung von Jugendgemeinderäten eine wirkliche Mitwirkungsmöglichkeit in unseren Städten und Gemeinden einräumen.

Wir wollen Jugendlichen auch in ihrer Ausbildung mehr Mitspracherechte einräumen.

Dazu gehört die Demokratisierung der Schülervertretungen, und dazu gehört die Einführung einer institutionalisierten demokratischen Studentenvertretung.

Und die Jugendlichen wollen zurecht, wie alle anderen auch, mehr Anerkennung für ihr ehrenamtliches Engagement.

Wir setzen uns deshalb für die Aufwertung des Ehrenamts gerade für junge Menschen ein.

Dazu zählen sowohl die Erleichterung der Freistellung in Schule und Beruf für ehrenamtliche Tätigkeiten, als auch die Anerkennung in Zeugnissen und die Anerkennung durch öffentliche Förderpreise.

Die Sicherung der Zukunftschancen der jüngeren Generation ist nicht mit Einzelmaßnahmen möglich, sondern muss Grundgedanke jeglicher Politik sein. Die Freie Demokratische Partei in Baden-Württemberg stellt sich dieser Aufgabe und fordert ihre Mitglieder und vor allem die an verantwortlicher Stelle Tätigen auf, bei allen Entscheidungen insbesondere die Auswirkungen in diesem Bereich zu berücksichtigen.